Sicherheit

29. April 2021 12:00

Bun­des­rat will BVV 2 nicht "ge­zielt er­neu­ern"

Mit ei­ner Mo­ti­on hat die na­tio­nal­rät­li­che Kom­mis­si­on für so­zia­le Si­cher­heit und Ge­sund­heit am 05.02.2021 den Bun­des­rat auf­ge­for­dert, "die Ver­ord­nung über die be­ruf­li­che Al­ters-, Hin­ter­las­se­nen- und In­va­li­den­vor­sor­ge (BVV 2) ge­zielt zu er­neu­ern und den ak­tu­el­len Her­aus­for­de­run­gen an­zu­pas­sen: mehr An­la­ge­kom­pe­tenz in den Stif­tungs­rä­ten, mehr Ri­si­ko­ma­na­ge­ment, mehr Ver­ant­wor­tung in der An­la­ge­be­wirt­schaf­tung. Die Ka­te­go­ri­en­be­gren­zun­gen soll­ten weg­fal­len. Es gab Ge­rüch­te, die Mo­ti­va­ti­on da­hin­ter sei­en nicht ganz frei von wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen ge­wis­ser Ak­teu­re der Fi­nanz­bran­che. Ei­ne Min­der­heit der Kom­mis­si­on (Gy­si Bar­ba­ra, Fe­ri Yvon­ne, Mail­lard, Mey­er Mat­tea, Por­chet, Pre­licz-Hu­ber, Was­ser­fal­len Fla­via, Wei­chelt-Pi­card) be­an­trag­te, die Mo­ti­on ab­zu­leh­nen.

Nun hat der Bun­des­rat geant­wor­tet und den Be­stre­bun­gen ei­ne Abn­sa­ge er­teilt. Der Bun­des­rat be­an­tragt die Ab­leh­nung der Mo­ti­on. Das Par­la­ment wird ent­schei­den müs­sen. Hier die Be­grün­dung des Bun­des­rats: 

Ge­mä­ss Ar­ti­kel 51a Ab­satz 2 Buch­sta­be i des Bun­des­ge­set­zes über die be­ruf­li­che Al­ters-, Hin­ter­las­se­nen und In­va­li­den­vor­sor­ge (BVG; SR 831.40) ist es ei­ne un­über­trag­ba­re und un­ent­zieh­ba­re Auf­ga­be des obers­ten Or­gans, für die Si­cher­stel­lung der Erst­aus­bil­dung und Wei­ter­bil­dung der Ar­beit­neh­mer- und Ar­beit­ge­ber­ver­tre­ter be­sorgt zu sein. Soll­ten die Fi­nanz­fach­kennt­nis­se der Mit­glie­der des Stif­tungs­ra­tes Lücken auf­wei­sen, kön­nen sie bei Be­darf ex­ter­ne und in­ter­ne Fach­leu­te bei­zie­hen, was sie auch tun. Der Bun­des­rat kann nicht in die Be­fug­nis­se des Stif­tungs­ra­tes ein­grei­fen. Sol­che An­for­de­run­gen stün­den auch im Wi­der­spruch zum Mi­li­z­ge­dan­ken, zur Or­ga­ni­sa­ti­ons­frei­heit und zum für die be­ruf­li­che Vor­sor­ge fun­da­men­ta­len Prin­zip der pa­ri­tä­ti­schen Zu­sam­men­set­zung des obers­ten Or­gans durch Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter der Ar­beit­ge­ben­den und Ar­beit­neh­men­den, die in der Re­gel nicht Fi­nanz­mar­k­ex­per­tin­nen - und -ex­per­ten sind.

Im Zen­trum der An­la­ge­vor­schrif­ten der be­ruf­li­chen Vor­sor­ge steht schon seit län­ge­rer Zeit das Vor­sichts­prin­zip (Pru­dent In­ves­tor), wel­ches sei­nen Aus­druck in den Ar­ti­keln 48a, 48f - h und 49-52 der Ver­ord­nung über die be­ruf­li­che Al­ters-, Hin­ter­las­se­nen- und In­va­li­den­vor­sor­ge BVV 2 (SR 831.441.1) fin­det. Füh­rungs­auf­ga­be, Sorg­falts­pflicht, As­set Lia­bi­li­ty Ma­na­ge­ment, Di­ver­si­fi­ka­ti­on, pro­zes­s­ori­en­tier­tes Vor­ge­hen, Steue­rung und Über­wa­chung der An­la­ge­re­sul­ta­te, Loya­li­tät der Ver­mö­gens­ver­wal­tung, Kos­ten­kon­trol­le, die Er­zie­lung ei­ner markt­kon­for­men Ren­di­te, die ge­nü­gen­de Li­qui­di­tät, und auch der not­wen­di­ge Hand­lungs­spiel­raum durch die Mög­lich­keit der Über­schrei­tung der Li­mi­ten sind dem­nach in der Ver­ord­nung be­reits im­ple­men­tiert. Die Li­mi­ten er­fül­len da­bei ei­ne sub­si­di­äre Funk­ti­on. Sie hin­dern die Vor­sor­ge­ein­rich­tun­gen kei­nes­wegs an ei­ner ri­si­ko­ge­rech­ten und er­trags­ge­rech­ten Ver­mö­gens­ver­wal­tung. Die Li­mi­ten sol­len den Stif­tungs­rat zu ei­nem sorg­fäl­ti­gen Vor­ge­hen an­hal­ten, in­dem die­ser bei de­ren Über­schrei­tung ab­wä­gen soll, ob die Grund­sät­ze der an­ge­mes­se­nen Sorg­falt, der Si­cher­heit und der Di­ver­si­fi­ka­ti­on noch ein­ge­hal­ten sind. Die Li­mi­ten stel­len da­mit si­cher, dass das "Pru­dent In­ves­tor" Prin­zip nicht ei­ne lee­re Wor­t­hül­se ist, son­dern die Vor­sor­ge­ein­rich­tun­gen auch tat­säch­lich be­wuss­te Ent­schei­dun­gen fäl­len. Die Ka­te­go­ri­en­limi­ten sind vor al­lem im Be­reich der il­li­qui­den An­la­gen und der An­la­gen mit ei­nem He­bel wich­tig. Ge­ra­de weil der Stif­tungs­rat in al­ler Re­gel nicht aus An­la­ge­ex­per­tin­nen und -ex­per­ten be­steht, sind die Li­mi­ten ei­ne ein­fa­che und güns­ti­ge Mög­lich­keit, die Um­set­zung des Vor­sor­ge­prin­zips si­cher­zu­stel­len. Oh­ne die Li­mi­ten müss­ten kos­ten­in­ten­si­ve Mass­nah­men er­grif­fen wer­den, um das Ri­si­ko­ma­na­ge­ment und die Be­richt­er­stat­tung zu stär­ken. Das bis­he­ri­ge Vor­ge­hen hat sich be­währt. Ei­ne Än­de­rung drängt sich nicht auf, wie der Bun­des­rat be­reits in an­de­ren Vor­stös­sen er­läu­tert hat (vgl. Mo­ti­on 18.3806 Sil­ber­schmidt (Pez­zat­ti) "Zeit­ge­mäs­se An­la­ge­vor­schrif­ten zur Stär­kung der be­ruf­li­chen Vor­sor­ge", In­ter­pel­la­ti­on 18.3816 Ditt­li "Op­ti­mie­rung der Ver­mö­gen­ser­trä­ge bei der be­ruf­li­chen Vor­sor­ge").

Die vor­ge­schla­ge­nen Mass­nah­men wür­den auf je­den Fall zu hö­he­ren Kos­ten im Be­reich des Ri­si­ko­ma­na­ge­ments und der Be­richt­er­stat­tung füh­ren. Hö­he­re Ren­di­ten wä­ren hin­ge­gen kaum wahr­schein­lich. Die Vor­sor­ge­ein­rich­tun­gen wer­den durch die BVV 2 be­reits heu­te da­zu an­ge­hal­ten, ih­re Er­trä­ge zu op­ti­mie­ren, und sie tun dies auch. Die Er­zie­lung ei­ner sys­te­ma­ti­schen Über­ren­di­te ge­gen­über dem Markt ist in je­dem Fall sehr un­wahr­schein­lich. Wä­re es mög­lich, ei­ne hö­he­re Ren­di­te bei glei­chem Ri­si­ko zu er­zie­len, wür­den dies al­le In­ves­tie­ren­den tun, was zur ra­schen Eli­mi­nie­rung die­ser Mög­lich­keit füh­ren wür­de. Ge­ra­de bei al­ter­na­ti­ven An­la­gen wer­den zu­dem die ef­fek­ti­ven Ri­si­ken auf­grund un­zu­rei­chen­der Ri­si­ko­mes­sung häu­fig (deut­lich) un­ter­schätzt. Möch­ten die Vor­sor­ge­ein­rich­tun­gen ei­ne hö­he­re er­war­te­te Ren­di­te er­rei­chen, müs­sen sie mehr Ri­si­ken ein­ge­hen. Die Ri­si­ko­fä­hig­keit der Vor­sor­ge­ein­rich­tun­gen ist al­ler­dings li­mi­tiert, wes­halb sie im ge­gen­wär­ti­gen schwie­ri­gen An­la­geum­feld gar nicht mehr Ri­si­ken ein­ge­hen kön­nen. Die Vor­sor­ge­ein­rich­tun­gen müs­sen näm­lich ih­re Ver­pflich­tun­gen auch in ei­nem un­güns­ti­gen Um­feld er­fül­len, die Ren­ten be­zah­len kön­nen und zu­dem sa­nie­rungs­fä­hig sein. Dar­an wür­den auch die Ab­schaf­fung der Ka­te­go­ri­en­limi­ten und mehr An­la­ge­spe­zia­lis­tin­nen und -spe­zia­lis­ten in den Stif­tungs­rä­ten nichts än­dern.

 

#Zweite Säule #berufliche Vorsorge #Aktien

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