ASIP-Stellungnahmen , Mindestzins , Performance , Reformen , Umwandlungssatz , ASIP Faktenchecks

7. Juni 2021 13:19

Fak­ten­check: Zum Ar­ti­kel in der NZZ am Sonn­tag

La­den­hü­ter mit reis­se­ri­scher Schlag­zei­le – da­mit wer­den kei­ne be­ste­hen­den Pro­ble­me ge­löst – im Ge­gen­teil!

In ei­nem mit reis­se­ri­schen Vor­wür­fen ge­spick­ten Kom­men­tar in der gest­ri­gen NZZ am Sonn­tag for­dert Mar­kus Stä­de­li ein in­di­vi­du­el­les Wert­schrif­ten­spa­ren für die Ver­si­cher­ten. Was auf den ers­ten Blick für Le­sen­de oh­ne sehr ge­naue Kennt­nis un­se­res kom­ple­xen  Al­ters­vor­sor­ge­sys­tems be­ste­chend klin­gen mag, ent­puppt sich auf den zwei­ten Blick als äus­serst pro­blem­be­la­den.

Der Re­form­stau im BVG und die sich dar­aus er­ge­ben­de Um­ver­tei­lung von Ver­mö­gen­ser­trä­gen von den ak­ti­ven Ver­si­cher­ten zu den Neu­pen­sio­nier­ten sind in der Tat stos­send. Dies liegt aber nicht am Sys­tem der so­zi­al­part­ner­schaft­lich ge­führ­ten, kol­lek­ti­ven be­ruf­li­chen Vor­sor­ge, son­dern an den nicht um­ge­setz­ten BVG-Re­for­men. Es ist da­her ziel­füh­ren­der, die­se Re­for­men im Rah­men der kol­lek­ti­ven, ar­beit­ge­ber­be­zo­ge­nen Al­ters­vor­sor­ge in die Tat um­zu­set­zen, statt die be­ruf­li­che Vor­sor­ge im Sin­ne der drit­ten Säu­le zu in­di­vi­dua­li­sie­ren. Auch wenn die For­de­rung, die zwei­te Säu­le durch in­di­vi­du­el­les Wert­schrif­ten­spa­ren zu er­set­zen, auf den ers­ten Blick ver­füh­re­risch tönt, wür­de dies die Si­tua­ti­on der ein­zel­nen Ver­si­cher­ten kei­nes­wegs ver­bes­sern – im Ge­gen­teil.

Wich­ti­ge Ele­men­te der heu­ti­gen kol­lek­ti­ven, be­ruf­li­chen Vor­sor­ge sind die Ver­si­che­rungs­pflicht, der Ver­trags­zwang und die Sa­nie­rungs­pflicht. Erst der Um­stand, dass ei­ne ein­zel­ne Per­son nicht bei je­der Bör­sen­kri­se gleich den Vor­sor­ge­trä­ger wech­seln kann, er­mög­licht es den Pen­si­ons­kas­sen, hö­he­re An­la­ge­ri­si­ken ein­zu­ge­hen. Ei­ne kol­lek­ti­ve An­la­ge­stra­te­gie ist, wie die ak­tu­el­le Si­tua­ti­on zeigt, in­di­vi­du­el­len An­la­ge­stra­te­gi­en deut­lich über­le­gen. 

In den Kri­sen nach 2000 (In­ter­net-Bub­ble), in der Fi­nanz­kri­se 2007/ 2008 oder nach dem Ein­bruch vom März 2020 im Rah­men der Co­ro­na-Pan­de­mie be­tru­gen auch auf ei­nem gut di­ver­si­fi­zier­ten Vor­sor­ge­ver­mö­gen die Ver­lus­te 10 bis 20%. Beim in­di­vi­du­el­len Spa­ren wird das Fi­nanz­mark­tri­si­ko dem ein­zel­nen Ver­si­cher­ten über­tra­gen. Herrscht un­mit­tel­bar vor der Pen­sio­nie­rung ei­ne Bais­se, hat er Pech.

In der kol­lek­ti­ven Vor­sor­ge hin­ge­gen kann bei glei­chem Ren­di­te­po­ten­zi­al das Ri­si­ko auf al­le Jahr­gän­ge auf­ge­teilt wer­den. Ge­win­ne und Ver­lus­te aus den Ka­pi­tal­markt­ent­wick­lun­gen kön­nen gleich­mäs­sig auf die Ver­si­cher­ten ver­teilt wer­den. Zu­dem er­höht die­se So­li­da­ri­tät auch die Leis­tun­gen, weil mit der da­durch ge­ge­be­nen Ver­län­ge­rung des An­la­ge­ho­ri­zon­tes ganz an­ders in­ves­tiert wer­den kann.

Zu be­ach­ten ist, dass sich für den ein­zel­nen Ver­si­cher­ten der An­la­ge­ho­ri­zont auf sei­ne Er­werbs­tä­tig­keit be­schränkt. Je äl­ter ei­ne Per­son ist und je nä­her der Pen­sio­nie­rungs­zeit­punkt kommt, de­sto ri­si­koär­mer müss­te die An­la­ge­stra­te­gie ge­wählt wer­den. Sonst wür­de die Ge­fahr dro­hen, dass ein gros­ser Teil des Vor­sor­ge­ver­mö­gens ver­lo­ren geht, wenn der nächs­te Bör­sen­crash aus­ge­rech­net kurz vor der ge­plan­ten Pen­sio­nie­rung ein­tritt. 

Beim schlag­wort­ar­tig skiz­zier­ten Vor­schlag in der NZZ am Sonn­tag re­du­ziert sich die Mo­ti­va­ti­on des Ar­beit­ge­bers, mehr Bei­trä­ge an ei­ne ge­setz­li­che Al­ters­vor­sor­ge zu leis­ten, als un­be­dingt not­wen­dig wä­re. Es ist zu be­fürch­ten, dass sich das Vor­sor­ge­sub­strat re­du­ziert, d.h. in der Ten­denz we­ni­ger für das Al­ter an­ge­spart wür­de. 

Kol­lek­ti­vi­tät und So­li­da­ri­tät ha­ben al­so durch­aus Vor­tei­le.

Ein Ab­bau die­ser Ele­men­te zu­guns­ten von mehr Wahl­frei­heit für den Ein­zel­nen ist nicht gra­tis zu ha­ben. Bei der In­di­vi­dua­li­sie­rung steigt der Be­ra­tungs­auf­wand für die Su­che nach dem ge­eig­nets­ten Vor­sor­ge­trä­ger, die Ver­mö­gens­ver­wal­tungs­kos­ten stei­gen und we­gen der tiefe­ren Ri­si­ko­fä­hig­keit des Ein­zel­nen ver­gli­chen mit ei­nem Kol­lek­tiv dürf­ten die An­la­ge­stra­te­gi­en vor­sich­ti­ger und da­mit aber auch we­ni­ger er­trags­ori­en­tiert wer­den. 

Ein in­di­vi­du­el­les Wert­schrif­ten­kon­to, für das der Ver­si­cher­te selbst ver­ant­wort­lich ist, ist kei­ne über­zeu­gen­de, im In­ter­es­se der Ver­si­cher­ten lie­gen­de Lö­sung. Viel­mehr soll­te jetzt die Ener­gie in po­li­tisch mehr­heits­fä­hi­ge Lö­sun­gen für ei­ne BVG-Re­form in­ves­tiert wer­den. Der ASIP hat auf­ge­zeigt, wie das ge­lin­gen kann. Mehr da­zu hier.

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