Reformen

15. Februar 2021 12:30

"BVG-Re­form als Be­las­tungs­pro­be für das Drei­säu­len­sys­tem"

Photo by Unsplash / Christoph Schmid

 

Vor drei Ta­gen pu­bli­zier­te Fa­bri­zio Pe­tril­lo, CEO von AXA Schweiz, einen her­vor­ra­gen­den Kom­men­tar zur Si­tua­ti­on der Re­form der zwei­ten Säu­le, den wir hier mit sei­ner Ge­neh­mi­gung ger­ne wie­der­ge­ben. 

Die Tren­nung zwi­schen So­li­da­ri­tät in der ers­ten, So­zi­al­part­ner­schaft in der zwei­ten und Ei­gen­ver­ant­wor­tung in der drit­ten Säu­le macht un­ser Mo­dell so ein­zig­ar­tig. Die Ele­men­te soll­ten nicht ver­mischt wer­den.

In­dem sie die AHV um ei­ne ob­li­ga­to­ri­sche be­ruf­li­che Vor­sor­ge und die ei­gen­ver­ant­wort­li­che drit­te Säu­le er­wei­ter­ten, ge­lang den Schöp­fern des Drei­säu­len­mo­dells um den SP-Bun­des­rat Hans-Pe­ter Tschu­di ein wah­res Kunst­stück. Die fei­ne Ba­lan­ce der drei Säu­len wi­der­spie­gelt den im Volk ver­an­ker­ten Wil­len, So­li­da­ri­tät, So­zi­al­part­ner­schaft und Ei­gen­ver­ant­wor­tung in Ein­klang zu brin­gen. Für das Ex­port­land Schweiz mit sei­nen ho­hen Leis­tungs­über­schüs­sen war die Er­gän­zung des Um­la­ge­ver­fah­rens der AHV durch ei­ne per­sön­li­che Ka­pi­talak­ku­mu­la­ti­on zu­dem un­um­gäng­lich. Nur so liess sich die Ab­hän­gig­keit von der De­mo­gra­fie- und Loh­n­ent­wick­lung re­du­zie­ren.

Pro­ble­ma­ti­scher Aus­gleichs-«Topf»

Das Herz­stück des Sys­tems ist die zwei­te Säu­le: Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber über­neh­men ge­mein­sam Ver­ant­wor­tung für die be­trieb­li­che Al­ters­vor­sor­ge und ge­währ­leis­ten part­ner­schaft­lich die Si­che­rung der Ren­ten. Es über­rascht des­halb nicht, dass vie­le der pa­ri­tä­tisch be­setz­ten Stif­tungs­rä­te den durch die stei­gen­de Le­bens­er­war­tung und die tie­fen Zin­sen ver­ur­sach­ten Hand­lungs­be­darf früh er­kann­ten und die Pa­ra­me­ter im Über­ob­li­ga­to­ri­um recht­zei­tig jus­tier­ten.

Jetzt ist die Po­li­tik am Zug, die Grund­la­gen des ob­li­ga­to­ri­schen BVG-Teils eben­falls der Wirk­lich­keit an­zu­pas­sen. Denn der Um­wand­lungs­satz im Ob­li­ga­to­ri­um hin­dert Vor­sor­ge­ein­rich­tun­gen, die vor­wie­gend tie­fe Ein­kom­men ver­si­chern («BVG-na­he Kas­sen»), die Um­ver­tei­lung von Jung zu Alt zu re­du­zie­ren und so ih­re fi­nan­zi­el­le La­ge eben­falls zu sta­bi­li­sie­ren.

Der Bun­des­rat hat da­zu ein auf dem So­zi­al­part­ner-Kom­pro­miss ba­sie­ren­des Re­form­pro­jekt prä­sen­tiert: Ei­ne Um­wand­lungs­satz­sen­kung von 6,8 auf 6 Pro­zent soll durch hö­he­re Sp­ar­bei­trä­ge kom­pen­siert wer­den. Um das Ren­ten­ni­veau auch in der Über­gangs­ge­ne­ra­ti­on zu hal­ten, ist ei­ne Art «Mi­ni-AHV» vor­ge­se­hen, in­dem al­le Ver­si­cher­ten 0,5 Pro­zent ih­res Lohns an einen Aus­gleichs-«Topf» bei­steu­ern.

Was sich als prag­ma­ti­sches Ge­ben und Neh­men prä­sen­tiert, weist in Tat und Wahr­heit er­heb­li­che Nach­tei­le auf: Ers­tens ha­ben die meis­ten, die in den Ge­nuss die­ser Lö­sung kämen, gar kei­nen Be­darf da­für. Ei­ner «BVG-na­hen Kas­se» ge­hö­ren näm­lich le­dig­lich rund 14 Pro­zent al­ler Ver­si­cher­ten an. Die Um­wand­lungs­satz­sen­kung wür­de für die gros­se Mehr­heit al­so zu gar kei­ner Ren­ten­re­duk­ti­on füh­ren. Zwei­tens ver­fü­gen die meis­ten Kas­sen heu­te schon über die nö­ti­gen Re­ser­ven, um die Lücken der Über­gangs­ge­ne­ra­ti­on aus ei­ge­ner Kraft zu de­cken. Drit­tens ver­stär­ken die 0,5 Pro­zent die Um­ver­tei­lung von Jung zu Alt er­heb­lich – statt sie end­lich zu re­du­zie­ren. Vier­tens un­ter­höhlt ei­ne zen­tral ge­steu­er­te «Mi­ni-AHV» die de­zen­tra­le Ver­ant­wor­tung der Stif­tungs­rä­te und setzt da­durch falsche An­rei­ze.

Ris­se in den Pfei­lern

Vor al­lem dies wiegt schwer: Die ur­sprüng­li­che Tren­nung zwi­schen So­li­da­ri­tät in der ers­ten, So­zi­al­part­ner­schaft in der zwei­ten und Ei­gen­ver­ant­wor­tung in der drit­ten Säu­le macht un­ser Mo­dell so ein­zig­ar­tig. Schwä­chen wir es nicht, in­dem wir die Ele­men­te ver­mi­schen. Zu­mal die «Mi­ni-AHV» der rich­ti­gen AHV drin­gend nö­ti­ge Zu­satz­res­sour­cen ent­zie­hen und da­mit ne­ben der So­zi­al­part­ner­schaft in der zwei­ten auch die So­li­da­ri­tät in der ers­ten Säu­le tor­pe­die­ren wür­de. Die Ris­se, die da­durch in den tra­gen­den Pfei­lern un­se­rer Al­ters­vor­sor­ge ent­stün­den, könn­ten das Drei­säu­len­mo­dell end­gül­tig ins Wan­ken brin­gen.

Dass die Re­form ei­ner Kor­rek­tur be­darf, ha­ben vie­le po­li­ti­sche Ak­teu­re längst er­kannt. Al­ter­na­tiv­vor­schlä­ge, wel­che die Zie­le der So­zi­al­part­ner eben­falls er­rei­chen, lie­gen auf dem Tisch. So zielt der auf dem Vor­schlag des Schwei­ze­ri­schen Pen­si­ons­kas­sen­ver­bands Asip ba­sie­ren­de «Mit­tel­weg» auf die Be­sei­ti­gung der Fehl­kon­struk­ti­on «Mi­ni-AHV», oh­ne am Er­halt des Ren­ten­ni­ve­aus zu rüt­teln. Nun ist es am Par­la­ment, un­ser aus­ge­klü­gel­tes und aus­ta­ri­er­tes Drei­säu­len­mo­dell mit der so­zi­al­part­ner­schaft­li­chen zwei­ten Säu­le als Herz­stück wie­der ins Lot zu brin­gen.

#Zweite Säule #berufliche Vorsorge #BVG21 #BVG-Mindest-Umwandlungssatz #Dreisäulen-System

Diesen Eintrag kommentieren

M.V. • 3 Jahre, 2 Monate her

Die AXA hat sich vom Vollversicherungsgeschäft bekanntlich verabschiedet. Für die Versicherungsgesellschaften welche in diesem Geschäft nach wie vor aktiv sind ist die Reform BVG21 gem. BR durchaus von Vorteil. Da ein Ausgleich für die Versicherten bei der sofortigen Herabsetzung des UWS auf 6,0% via SIFO (Mini-AHV) erfolgt, und somit ausserhalb des eigentlichen Mindestquotengeschäfts generiert wird, entpuppen sich grosse Teile der bereits getätigten Rückstellungen als Stille Reserven und können aufgelöst werden. Diesen Rückstellungen stehen nun ja tiefere Pensionierungsverluste gegenüber. Auch die künftigen Rückstellungen zu den Pensionierungsverlusten werden tiefer ausfallen. Beide Effekte führen zu einem höheren Nettoergebnis. Das Betriebsergebnis zu Gunsten der Lebensversicherungsgesellschaften wird in CHF somit höher ausfallen und wird näher an die max. möglichen 10% der Erträge heranrücken. Es ist merkwürdig, dass die Gewerkschaften, aus deren Küche die “Mini-AHV” wohl stammt, diesem zustimmen. Da bei den Vollversicherungen natürlich immer auch etwas für die Versicherer anfallen muss, stehen diese doch häufig in der Kritik der AN-Verbände. Der nun höhere Anteil z.G.der Versicherer kompensiert allerdings die tieferen Betriebsergebnisse der Vergangenheit. Wahrscheinlich wird aus gewerkschaftlichen Kreisen nun wohl die Forderung nach einer höheren Quote z.G. des Versichertenkollektivs erfolgen. Die Mini-AHV, welche Leistungen im Giesskannenprinzip verteilt, ist unglücklich und aus gewerkschaftlicher Sicht zu den Vollversicherungen doch eigentlich ärgerlich.
Antworten
Für statistische Zwecke und um bestmögliche Funktionalität zu bieten, speichert diese Website Cookies auf Ihrem Gerät. Das Speichern von Cookies kann in den Browser-Einstellungen deaktiviert werden. Wenn Sie die Website weiter nutzen, stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.