Reformen , Umwandlungssatz

20. März 2023 11:06

Kom­men­ta­re zur BVG-Re­form in den Me­di­en

KI-generiertes Bild (mit Hilfe von DALL•E)

 

Nach der Ver­ab­schie­dung der BVG-Re­form durch Na­tio­nal- und Stän­de­rat ha­ben ver­schie­de­ne Zei­tun­gen ei­ne Ein­ord­nung ver­sucht. Man kann es nicht oft ge­nug wie­der­ho­len: um Re­form und Hand­lungs­be­darf zu ver­ste­hen, muss man zwei Din­ge wis­sen.

1. Die Pen­si­ons­kas­sen-Ren­te ei­nes oder ei­ner Ver­si­cher­ten wird ein­zig und al­lein aus dem Spar­kon­to bei der Pen­si­ons­kas­se fi­nan­ziert, in das er oder sie und zu min­des­tens glei­chen Tei­len auch noch der Ar­beit­ge­ber wäh­rend des Ar­beits­le­bens ein­be­zahlt ha­ben. Des­sen Hö­he über­steigt die ein­ge­zahl­ten Bei­trä­ge nur des­halb, weil die Pen­si­ons­kas­se das Geld ge­winn­brin­gend an­legt. Je­de Ren­ten­er­hö­hung, je­der Zu­stupf kann nur vom Kon­to des Ver­si­cher­ten selbst oder von an­de­ren Ver­si­cher­ten be­zahlt wer­den. We­der der Staat noch die Mehr­wert­steu­er oder sons­ti­ge drit­te Quel­len kön­nen da­für auf­kom­men. 

2. Die Le­bens­er­war­tung ab Pen­sio­nie­rung ist heu­te et­wa ein Drit­tel län­ger, als zu Be­ginn des BVG (1985). Das Spar­kon­to ei­ner oder ei­nes Ver­si­cher­ten müss­te al­so ei­gent­lich einen ent­spre­chend hö­he­ren Be­trag auf­wei­sen, um bei glei­chem Min­dest-Um­wand­lungs­satz bis zum Le­bens­en­de aus­zu­rei­chen. Bei 14 Pro­zent der Ver­si­cher­ten ist dies aber nicht der Fall. Die Re­form hat­te zum Ziel, für die­se 14 Pro­zent den ge­setz­lich vor­ge­ge­be­nen Min­dest-Um­wand­lungs­satz auf ein rea­lis­ti­sche­res Ni­veau zu sen­ken, da­mit die Ren­ten die­ser Ver­si­cher­ten nicht wie bis­her durch die jün­ge­ren Ge­ne­ra­tio­nen quer­sub­ven­tio­niert wer­den müs­sen (die so ge­nann­te Um­ver­tei­lung). Es soll­te al­so die Be­las­tung der jün­ge­ren Ge­ne­ra­tio­nen ge­senkt wer­den. Oder, wie man­che es tun, an­ders for­mu­liert: der un­ge­woll­te Ren­ten­klau an den jün­ge­ren soll­te we­nigs­tens re­du­ziert wer­den. Das tut die ver­ab­schie­de­te Re­form zwar, aber weil es Zu­schüs­se nicht nur für die äl­tes­ten 15 Jahr­gän­ge der be­sag­ten 14 Pro­zent gibt, die sie zur Ver­mei­dung von Ren­ten­sen­kun­gen be­nö­ti­gen, son­dern für sa­ge und schrei­be 50 Pro­zent, wur­de ei­ne neue Um­ver­tei­lung ein­ge­führt, die die Ziel­er­rei­chung wie­der­um teil­wei­se zu­nich­te macht. 

Ei­ne Aus­wahl der Stim­men aus dem Blät­ter­wald.

Fa­bi­an Schä­fer (Neue Zür­cher Zei­tung) schreibt da­zu am 18. März 2023: 

(...) Es war ein Knorz.

(...) Die Vor­la­ge geht in zwei zen­tra­len Fra­gen sehr weit: Ers­tens sieht sie be­wusst «Aus­gleichs­mass­nah­men» auch für An­ge­stell­te vor, bei de­nen es gar nichts aus­zu­glei­chen gibt. In der 15-jäh­ri­gen Über­gangs­ge­ne­ra­ti­on er­hal­ten Per­so­nen Ren­ten­zu­schlä­ge, die durch die Re­form kei­ne Nach­tei­le er­lei­den. Es ist ein Leis­tungs­aus­bau aus hei­te­rem Him­mel, für ei­ne zu­fäl­lig de­fi­nier­te Ge­ne­ra­ti­on der Glück­li­chen, fi­nan­ziert von jün­ge­ren Ar­beits­kol­le­gen und der All­ge­mein­heit. Das mag die Chan­cen an der Ur­ne ver­bes­sern, über­zeu­gend aber ist es nicht. Das Par­la­ment hat mit wach­sen­der Ver­zweif­lung ei­ne ziel­ge­rich­te­te Lö­sung ge­sucht. Doch lei­der wer­den auch so nicht zwin­gend je­ne pro­fi­tie­ren, bei de­nen es an­ge­zeigt wä­re.

(...) Kurz und gut: Die Re­form ist über wei­te Stre­cken prag­ma­tisch. Sie passt das ge­setz­li­che Mi­ni­mum end­lich an die ge­stie­ge­ne Le­benser­war­tung an; sie re­du­ziert für be­trof­fe­ne Pen­si­ons­kas­sen die un­faire Um­ver­tei­lung von Er­werbs­tä­ti­gen zu Rent­nern; und sie ver­bes­sert die Vor­sor­ge für Per­so­nen mit Teil­zeit­pen­sen und meh­re­ren An­stel­lun­gen, un­ter ih­nen vie­le Frau­en. Na­tür­lich ist das nicht gra­tis, im Ge­gen­zug wer­den die Lohn­bei­trä­ge stei­gen. Doch die Lin­ke schum­melt, wenn sie den Ein­druck er­weckt, die Vor­la­ge be­wir­ke für al­le hö­he­re Lohn­ab­zü­ge und tie­fe­re Ren­ten. Ge­ra­de für tie­fe­re und mitt­le­re Ein­kom­men wird das Ren­ten­ni­veau im Ob­li­ga­to­ri­um stei­gen. Es ist reich­lich schein­hei­lig, jah­re­lang die an­geb­lich so schlim­me «Ren­ten­lücke» der Frau­en im BVG zu be­kla­gen und dann die­se Vor­la­ge zu be­kämp­fen.

Nun mä­keln vie­le, die Re­form wer­de an der Ur­ne oh­ne­hin ab­stür­zen. Die­ses Ri­si­ko ist gross, das stimmt. Doch die Vor­la­ge ist nicht chan­cen­los. Sonst wä­ren die Bau­ern nicht so ner­vös. Ent­schei­dend ist, dass es glaub­wür­di­ge Kräf­te gibt, die auch im Ab­stim­mungs­kampf hin­ste­hen und den Ge­werk­schaf­ten die Stirn bie­ten. Die Zu­sam­men­ar­beit der so­zi­al­po­li­ti­schen Al­li­anz der Prag­ma­ti­schen hat ge­ra­de erst be­gon­nen.

htt­ps://www.nzz.ch/schweiz/bvg-re­form-die­ser-kom­pro­miss-ver­dient-ei­ne-chan­ce-ld.1730928

 

Ar­no Schmo­cker schreibt in der Fi­nanz und Wirt­schaft

Lin­ke nicht zu Kom­pro­miss fä­hig

(...) Die mit der Sen­kung an­ge­streb­te Re­duk­ti­on der Um­ver­tei­lung zu­las­ten der Jun­gen ist mit sehr gross­zü­gi­gen Aus­gleichs­mass­nah­men für die fünf­zehn Über­gangs­jahr­gän­ge er­heb­lich ge­schmä­lert wor­den. Statt von «Kom­pen­sa­ti­on» zu spre­chen, wä­re eher der Be­griff Ab­bau von Pri­vi­le­gi­en an­ge­bracht, denn das heu­ti­ge Ni­veau ist trotz Zins­wen­de zu hoch. 

«Das ei­gent­li­che Ziel grös­se­rer Ge­rech­tig­keit zwi­schen den Ge­ne­ra­tio­nen wird nur an­satz­wei­se er­reicht.»

Bis 2039 wer­den 11,3 Mrd. Fr. Aus­gleichs­gel­der aus­be­zahlt. Die na­tio­nal­rät­li­che Va­ri­an­te wä­re 2,5 Mrd. Fr. güns­ti­ger ge­we­sen. De fac­to ist es ein Leis­tungs­aus­bau, den die Er­werbs­tä­ti­gen und vor al­lem die Jun­gen via Lohn­pro­zen­te mit­fi­nan­zie­ren. Das ei­gent­li­che Ziel der Re­form, die Las­ten ge­rech­ter zwi­schen den Ge­ne­ra­tio­nen zu ver­tei­len, wird nur an­satz­wei­se er­reicht.

Ob­schon bloss 15% der Rent­ner von der Sen­kung des Um­wand­lungs­sat­zes be­trof­fen sind, er­hal­ten 50% einen Zu­stupf. Rot-Grün, im Chor mit Bun­des­rat Alain Ber­set, wur­de in­des­sen nicht mü­de, den «So­zi­al­part­ner­kom­pro­miss»zu prei­sen, zu dem da­mals der Ar­beit­ge­ber­ver­band 2019 un­se­li­ger­wei­se die Hand ge­reicht hat­te. Er wä­re mit 19 Mrd. Fr. nicht nur über­aus teu­er ge­we­sen, son­dern hät­te auch ein zu­sätz­li­ches sys­tem­wid­ri­ges Um­ver­tei­lungs­ele­ment à la AHV in das Pen­si­ons­kas­sen­sys­tem ein­ge­pflanzt.

Die Lo­sung der Lin­ken – mehr be­zah­len, we­ni­ger er­hal­ten – ist wie­der­um ver­füh­re­risch-sim­pel. Wenn auch wie­der­um fak­ten­wid­rig.

https://www.fuw.ch/linke-nicht-zu-kompromiss-faehig-579765500455

Fa­bi­an Renz meint im Blick:

Die Pen­si­ons­kas­sen-Re­form hat es durchs Par­la­ment ge­schafft. Doch das Re­fe­ren­dum ist be­reits an­ge­kün­digt. Für die Lin­ke ein «Ge­schenk» mit­ten im Wahl­jahr. (...)  Die Lin­ke reibt sich jetzt schon die Hän­de. Nach ei­ner knap­pen Nie­der­la­ge bei der AHV-Ab­stim­mung hat sie bei der Pen­si­ons­kas­sen-Re­form einen Sieg in der Ren­ten­fra­ge vor Au­gen.

https://www.blick.ch/politik/die-linke-reibt-sich-schon-die-haende-parlament-winkt-umstrittene-bvg-reform-durch-id18407500.html

Fa­bi­an Renz vom Ta­ges-An­zei­ger nennt die Re­form:

Ei­ne Re­form, die zu vie­le ver­prellt.

Wie wol­len die Be­für­wor­ter et­wa die 25-jäh­ri­ge Teil­zeitan­ge­stell­te mit 40’000 Fran­ken Jah­res­lohn über­zeu­gen? Die­se könn­te zwar, dank bes­se­rer Ver­si­che­rung des Tief­lohn­be­reichs, mit ei­ner et­was hö­he­ren Ren­te rech­nen. Doch käme sie die­ses Ver­spre­chen teu­er zu ste­hen: Von ih­rem oh­ne­hin klei­nen Lohn wür­de ihr künf­tig ein mas­siv hö­he­rer Be­trag ab­ge­zo­gen.

An­mer­kung der Blog-Re­dak­ti­on: Viel­leicht könn­te man sie über­zeu­gen, wenn man statt des Wor­tes «ab­ge­zo­gen» schrei­ben wür­de «wür­de ihr künf­tig ein mas­siv hö­he­rer Be­trag auf ihr Spar­kon­to bei der Pen­si­ons­kas­se über­wie­sen»

 

 

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