ASIP-Stellungnahmen , Mindestzins , Rahmenbedingungen
28. September 2023 11:53
OAK Mitteilung zu Leistungsverbesserungen: Operation gelungen, Patient gestorben
Mit ihrer jüngsten Mitteilung konkretisiert die Oberaufsichtskommission berufliche Vorsorge (OAK) den Artikel 46 der Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2). Dieser Artikel verlangt, dass Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen ohne vollständig geäufnete Wertschwankungsreserven besondere Anforderungen erfüllen müssen, bevor sie Leistungsverbesserungen gewähren. Im Kern will der Regulator damit verhindern, dass einmalig hohe Renditen zu rasch in Form von Leistungsverbesserung weitergegeben. Stattdessen sollen sie für den Aufbau der Reserven verwendet werden. Die Regelung dient damit der finanziellen Stabilität der Vorsorgeeinrichtung und ist entsprechend ausdrücklich zu begrüssen.
Aus Sicht der Pensionskassen stellt sich in der Praxis aber unter anderem die Frage, was genau unter „Leistungsverbesserungen“ zu verstehen ist. Offenkundig gehört beispielsweise eine Verzinsung der Altersguthaben dazu, die über den entsprechenden Projektionsparameter im Leistungsmodell hinausgeht. Auch eine Verzinsung, die generell mit Blick auf die finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtung zu hoch erscheint, gehört dazu. An genau dieser Stelle hakt denn auch die Mitteilung der OAK ein und klassifiziert jede Verzinsung der Altersguthaben als Leistungsverbesserung, die über den Durchschnitt der technischen Zinssätze gemäss Erhebung der OAK und den BVG-Mindestzinssatz hinausgeht. Während also das Ziel des regulatorischen Eingriffs und auch der Fokus auf die Verzinsung durchaus sinnvoll sind, ist das gewählte Mittel aus zwei Gründen heikel:
Erstens führt die Regelung zu diametral falschen Anreizen: Bei gutem Renditeverlauf entsteht für eine Sammel- und Gemeinschaftseinrichtung künstlicher Druck, den Deckungsgrad (zum Beispiel durch eine Erhöhung des technischen Zinssatzes) möglichst hoch und die Zielwertschwankungsreserve möglichst tief anzusetzen, um von der Regelung gar nicht betroffen zu sein. Dieser Druck ist zwar systeminhärent, da er in Art. 46 BVV2 ohnehin geschaffen wird, er wird aber durch die Verschärfung der OAK deutlich vergrössert. In der Folge kann die neue Regelung unter Umständen nicht eine Verbesserung, sondern eine Gefahr für die finanzielle Stabilität der Vorsorgeeinrichtung bedeuten.
Zweitens entsteht aufgrund der konkreten Ausgestaltung der OAK-Mitteilung ein enormer Zeitverzug: Die Kommission veröffentlicht den oben genannten Durchschnitt der technischen Zinssätze jeweils im Mai. Gemäss Mitteilung gilt der Wert für eine Verzinsung ab dem 01. Januar des Folgejahres. Legt also das oberste Organ einer Vorsorgeeinrichtung den Zinssatz retrospektiv fest, das heisst beispielsweise im Dezember rückwirkend für das abgelaufene Jahr, muss es sich an technischen Zinssätzen orientieren, die sage und schreibe zwei Jahre zurückliegen. Nicht erst seit der Anhebung der Leitzinsen durch die Nationalbank ist ein derartiger Verzug in der Praxis kaum haltbar.
Mit ihrer Mitteilung leistet die Oberaufsichtskommission einen wichtigen Beitrag zur konkreten Umsetzung der Verordnungsbestimmung im Alltag der Schweizer Pensionskassen und sichert deren finanzielle Stabilität. Das ist ausdrücklich zu begrüssen. Beim nun gewählten Mittel scheint das ursprüngliche Ziel jedoch aus den Augen verloren gegangen zu sein. Lapidar ausgedrückt: Operation gelungen, Patient gestorben.
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Christoph Plüss • 1 Jahr her